Windkraft klopft am Regelenergiemarkt an
Die vier Übertragungsnetzbetreiber arbeiten an gemeinsamen Kriterien, wie die Windenergie künftig Regelenergieleistungen liefern kann. Genau damit hat Dänemark bereits seit Ende 2011 gute Erfahrungen gemacht.
HANDEL. Die Freude hielt weniger als 24 Stunden an. Am zweiten Tag der diesjährigen E-World hatte Statkraft Markets stolz verkündet, erstmals aus dem ostfriesischen Windpark Dornum erfolgreich negative Minutenreserve geliefert zu haben. „Das ist ein weiterer Schritt zum Erwachsenwerden der erneuerbaren Energien", jubelte Geschäftsführer Stefan-Jörg Göbel auf einer eigens anberaumten Pressekonferenz.
Die große Ernüchterung folgte bereits am nächsten Tag. Der Windpark hätte gar nicht präqualifiziert werden dürfen, teilte ihm der Übertragungsnetzbetreiber TenneT telefonisch mit, es habe einen „prozesstechnischen Datenbankfehler" gegeben. Wenig später kam ein offizielles Schreiben aus Bayreuth und futsch war die Zulassung.
„Da ist uns etwas durchgerutscht", räumt Werner Christmann ein, verantwortlich bei TenneT für die Beschaffung und Abwicklung von Regelleistung. Grundsätzlich, betont Christmann, lehne TenneT die Einbindung der Windenergie für Regelenergieleistungen nicht ab: „Was derzeit fehlt, sind verbindliche Präqualifikationskriterien, nach welchen Regeln Windparks fest zugesagte Regelleistung liefern müssen." Das sei der eigentliche Grund, warum es den Rückzieher für den von Statkraft betreuten Windpark gegeben habe.
Zusammen mit den drei anderen Übertragungsnetzbetreibern (ÜNB) arbeitet TenneT nach Worten Christmanns derzeit an verbindlichen Standards für die Präqualifikation von Windparks. „Im Verlaufe dieses Jahres wird es Empfehlungen geben, nach welchen Methoden die Windenergie Regelenergie-Leistungen erbringen kann." In Berlin setzt 50Hertz auf Einigung der vier ÜNB: „Wir sind sehr an einer Weiterentwicklung des Regelenergiemarktes interessiert und halten die Einbindung der Windenergie für sehr wünschenswert", heißt es bei dem ostdeutschen Übertragungsnetzbetreiber.
Dänemark greift seit 2011 auf die Windkraft für Regelenergie zurück
Diesen Wunsch hat nicht nur 50Hertz. „Wir spüren auch einen gewissen politischen Druck, dass wir den Regelenergiemarkt für die Windenergie öffnen", sagt TenneTMann Christmann, „die erneuerbare Energien sollen einfach mehr Systemverantwortung übernehmen." Bislang haben die ÜNB aus dem regenerativen Sektor jede Menge Biomasseanlagen für die Lieferung von Minutenreserve und vor allem negativer Sekundärregelleistung zugelassen. „Diese Kraftwerke sind gut steuerbar", sagt Christmann, „um so wichtiger ist es, dass wir für die fluktuierende Windenergie ein verbindliches Regularium für Regelenergiezwecke bekommen."
Im jütländischen Fredericia beobachtet Henning Parbo interessiert die Debatte um die Einbindung der Windenergie in den Regelenergiemarkt. „Wir sind Deutschland da ein gutes Stück voraus", sagt der Chefökonom bei Energinet.dk, Dänemarks staatseigenem Übertragungsnetzbetreiber. Bereits seit November 2011 können Windenergieanlagen am Regelenergiemarkt teilnehmen. In jenen Anfangstagen konnte Energinet.dk auf ein Volumen von gut 100 MW zurückgreifen. Heute liegt das tägliche Angebot nach Worten Parbos bei gut 700 MW, außerdem liefern die dänischen Offshore-Windparks bei „speziellen Anforderungen" weitere gut 1 000 MW (Ende 2014 verfügte Dänemark über eine Windkraft-Leistung von 4 845 MW, wovon rund 1 300 MW im Meer installiert sind). Für die Windparks gibt es in Dänemark keine verpflichtende Teilnahme am Regelenergiemarkt, das Gros der Betreiber nutzt das System der sogenannten voluntary bids, sowohl für positive, als auch für negative Regelenergie.
An den genannten Zahlen lässt sich allerdings nicht die wahre Dimension erkennen, wie sehr die Windenergie mittlerweile den dänischen Regelenergiemarkt durchdrungen hat. „Im Jahresdurchschnitt basiert unser Stromverbrauch zu knapp 40 Prozent auf Windenergie, weshalb leicht nachzuvollziehen ist, dass bei uns an einigen Tagen die Windenergie den gesamten Strom liefert", erklärt Parbo. Es hätte in Dänemark überhaupt keine Alternative dazu gegeben, die Windenergie nicht auch als Regelenergie zu nutzen. Energinet.dk habe „sehr gute Erfahrungen" bei der Zusammenarbeit mit den Windparkbetreibern für die Regelenergie gemacht, sagt Chefökonom Parbo: „Regelenergieangebote können bis 45 Minuten vor der Betriebsstunde eingesendet oder geändert werden. Ob wir wirklich auf das Regelenergie-Angebot zurückgreifen, teilen wir ihnen üblicherweise 25 Minuten vor der Stunde mit, es kann aber auch erst innerhalb der Stunde geschehen." Das Verfahren könne er auch den deutschen Übertragungsnetzbetreibern empfehlen.
Solche Details sind den Verantwortlichen von Statkraft Markets in Düsseldorf derzeit eher zweitrangig. „Hauptsache es passiert endlich etwas", heißt am Sitz der Deutschland-Depandance des norwegischen Energiekonzerns, „Wir haben gezeigt, dass es auch in Deutschland technisch machbar ist, mit Windenergieanlagen Regelenergie zu liefern."
Was Christmann von TenneT bestätigt: „Statkraft hat im Windpark Dornum mit dem vierstündigen Fahrplan mehr gemacht, als wir fordern würden." Der Windpark Dornum wird nach seinen Worten nicht mehr lange eine (zeitweise) Ausnahme auf dem Regelenergiemarkt bleiben. „Wenn die ersten Windparks erfolgreich Regelenergie geliefert haben, wird es einen großen Marktdruck geben, weil viele Windparkbetreiber von dieser zusätzliche Einnahmequelle profitieren wollen", lautet Christmanns Prognose.
Was nicht ohne Konsequenzen über den gesamten Strommarkt hierzulande bleiben wird: Gibt es das grüne Licht für den Eintritt der Windenergie in den Regelenergiemarkt, wird das vor allem zu Lasten fossiler Kraftwerke gehen. Kohle- und Gaskraftwerke verlieren damit weitere Deckungsbeiträge, was erklärt, warum die Kraftwerksbetreiber wenig Interesse an der neuen Konkurrenz der Windenergie bei der Regelenergie haben.
RALF KÖPKE
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